Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt in einer aktuellen Untersuchung vor, durch ein Grunderbe, das durch Erbschaft- oder Vermögensteuer finanziert werden soll, die Vermögensungleichheit in Deutschland zu reduzieren. Ein Grunderbe von 20.000 Euro je volljährige Person würde die Vermögensungleichheit schneller und deutlicher senken als Vermögensbildung durch die Förderung von Wohneigentum (zum Zusammenhang zwischen Wohneigentumsquote und Vermögensungleichheit), privater Altersvorsorge und sonstigem Vorsorgesparen. Vermögensbildung wirke nur langfristig und „lediglich moderat auf die Vermögensverteilung. (…) Sollen schneller Ergebnisse erzielt werden, müssten die Vermögen direkter und spürbarer umverteilt werden“, heißt es in dem DIW-Papier.
Und so kommt Studien-Autor Stefan Bach, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat am DIW Berlin, zu der Feststellung: „Die hohe Vermögensungleichheit in Deutschland lässt sich schnell und effektiv nur durch Umverteilung reduzieren: indem die besitzlose Hälfte ein Grunderbe zum Vermögensaufbau erhält, das über Steuern auf hohe Vermögen finanziert wird.“ Das Grunderbe soll an bestimmte Zwecke gebunden werden: „Ausbildungsfinanzierung, Erwerb von Wohneigentum, Selbstständigkeit und Unternehmensgründungen, Weiterbildung oder für Einkommenseinbußen bei Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Gefördert werden könnte auch die Betreuung von Kindern, Alten oder Behinderten.“
„Besonders ungleich verteilte“ Nettovermögen?
„Die Nettovermögen der privaten Haushalte sind in Deutschland besonders ungleich verteilt.“ (Hervorhebung N.H.) So lautet der erste Satz der Studie. In einer Fußnote dazu wird darauf hingewiesen, dass hier „Nettovermögen in konventioneller Abgrenzung“ betrachtet werden:
„Die Nettovermögen in konventioneller Abgrenzung bestehen aus Immobilien, Finanzvermögen und Versicherungsguthaben, Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen, abzüglich Schulden. Dabei werden bestimmte Vermögenskomponenten ausgeschlossen, insbesondere das ‚Sozialvermögen‘ in Form von Ansprüchen an die sozialen Sicherungssysteme, also vor allem die quantitativ bedeutsamen Anwartschaften an die Alterssicherungssysteme der Gesetzlichen Rentenversicherung, der Beamtenversorgung oder der betrieblichen Altersversorgung. Berücksichtigt man diese Vermögen durch Kapitalisierung der Versorgungsansprüche, reduziert sich die Vermögensungleichheit in Deutschland massiv – der Gini-Koeffizient sinkt um 24 Prozent.“ (Hervorhebung N.H.)
Das ist ein wesentlicher Punkt, der bei der Beurteilung der Vermögensungleichheit in Deutschland nicht unberücksichtigt bleiben darf. Bach erwähnt diesen Punkt, allerdings in einer Fußnote, damit er nicht ganz so auffällt. Hängen bleiben soll beim Leser die Feststellung im eigentlichen Text: Die Nettovermögen der privaten Haushalte sind „besonders ungleich verteilt“. Dass diese Feststellung deutlich relativiert werden muss, wenn man die Anwartschaften an die Alterssicherungssysteme hinzunimmt, erfährt nur derjenige Leser, der auch die Fußnote liest. Die im Haupttext und auch im Abstract gleich zu Beginn herausgestellten „besonders ungleich verteilt(en)“ Nettovermögen sind der Ansatzpunkt für die Forderung nach – Umverteilung. Im vorliegenden Fall durch ein „Grunderbe“.
Narrativ von der „sehr ungleichen Vermögensverteilung“ setzt sich durch
Ob ein Grunderbe eine gute Idee ist oder nicht, soll hier nicht weiter diskutiert werden. Problematisch ist, dass diese Idee mit einer Feststellung begründet wird, die bei genauerem Hinsehen nicht stimmt.
Wie wichtig das öffentliche Narrativ von den „besonders ungleich verteilt(en)“ Nettovermögen ist, zeigt sich auch in einem Interview, das Stefan Bach der Zeitschrift Capital gegeben hat. Auch hier betont er gleich an zwei Stellen die „sehr ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland“. Dass sich die Vermögensungleichheit „massiv reduziert“ (wie Bach in seiner zitierten Fußnote selbst schreibt), wenn die Altersvorsorgevermögen mitberücksichtigt werden, erwähnt Bach in dem Gespräch mit Capital nicht. Kein Wunder, denn eine „massiv reduzierte“ Vermögensungleichheit ist für die Forderung nach höheren Steuern auf Erbschaften und Vermögen natürlich hinderlich.
Die „sehr ungleiche Vermögensverteilung“ in Deutschland zieht sich auch durch die weitere Medienberichterstattung (Beispiele: Spiegel, MDR, Stern, Wirtschaftswoche, Die Zeit). Dass ein Grunderbe dieses Problem lindern hilft, möchten alle wohl zu gern glauben. Dabei ist das Problem zwar vorhanden, aber eben nicht so groß, wie es dargestellt wird.
Dazu müsste man – zumindest bei Bach – allerdings das Kleingedruckte lesen.
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