Vermögensteuer

Vermögensteuern verringern Vermögensbasis

Die Forderung nach der Wiedereinführung – genauer gesagt: dem Wiederaufleben – der Vermögensteuer in Deutschland ist seit einiger Zeit weit verbreitet. Dazu nur einige Beispiele: Nach Ansicht der SPD (und der Grünen) sollten Reiche für die Kosten der Corona-Krise zahlen, Linken-Chefin Janine Wissler sprach sich nach der jüngsten Bund-Länder-Konferenz zur Finanzierung der milliardenschweren Entlastungspakete in der Energiekrise für die Wiedereinführung der Vermögensteuer aus, die DGB-Vorsitzende Fahimi will, dass Vermögende einen größeren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens tragen, die SPD-Vorsitzende Esken schließlich will die Reichsten im Land aber auch den Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine beteiligen.

Die Einführung einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe in Deutschland würde allerdings die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen, Beschäftigung und Wirtschaftswachstum signifikant auf Dauer verschlechtern. Zu dieser Schlussfolgerung kommt die Studie „Zur Debatte über die Einführung einer Nettovermögensteuer in Deutschland“, die Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts für die Stiftung Familienunternehmen verfasst hat (siehe unseren Beitrag dazu). Die Warnung, dass eine Vermögensteuer auf Dauer mehr Schaden als Nutzen stiftet, sollte zumindest ernst genommen werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, mit welchen Verhaltensreaktionen auf die (Wieder-)Einführung der Vermögensteuer eigentlich gerechnet werden muss, und wie sich gegebenenfalls die Steuerbemessungsgrundlagen verändern.

Bevor wir das näher betrachten, halten wir zunächst einmal die Tatsache fest, dass in den letzten Jahrzehnten haben immer mehr Staaten in Europa Vermögensteuern abgeschafft haben (s. die Tabelle dazu in diesem Beitrag). „Wichtige Ursachen des internationalen Trends zur Abschaffung von Vermögensteuern sind Bewertungsprobleme, Steuervermeidung und Kapitalflucht“, schreibt Fuest in der oben erwähnten Studie. Diese und andere Phänomene sind in den vergangenen Jahren in einer ganzen Reihe von Forschungsarbeiten näher untersucht worden.

Eine der jüngsten stammt von Arun Advani (University of Warwick) und Hannah Tarrant (London School of Economics). Beide haben in ihrem Beitrag „Behavioural responses to a wealth tax” empirische Belege dafür untersucht, wie Personen auf die Anreize reagieren, die durch eine Nettovermögensteuer geschaffen werden. Denn eines ist klar: Das Steueraufkommen, das letztlich durch eine Vermögensteuer erzielt werden könnte, hängt nicht nur von dem Steuersatz und dem bereits vorhandenen Vermögen ab, sondern auch davon, wie der Einzelne sein steuerpflichtiges Vermögen als Reaktion auf die Steuer anpasst.

Für Advani/Tarrant ist die wichtigste Größe, die es zu untersuchen gilt, die Elastizität des steuerpflichtigen Vermögens. Elastizität ist ein Maß, das die relative (prozentuale) Veränderung der abhängigen Variablen y (Wirkung) zur relativen Änderung der unabhängigen Variablen x (Ursache) angibt. Im vorliegenden Fall gibt die Elastizität des steuerpflichtigen Vermögens Aufschluss darüber, inwieweit das Niveau des steuerpflichtigen Vermögens (Wirkung) auf eine Änderung des Steuersatzes (Ursache) reagiert. Diese Elastizität messe den Gesamteffekt einer Vermögensteuer auf die Höhe des steuerpflichtigen Vermögens und damit auf die Höhe der Einnahmen, die erzielt werden könnten, so Advani/Tarrant.

Verhaltensreaktionen auf eine Vermögensteuer

Mögliche Verhaltensreaktionen auf die Einführung einer Vermögensteuer sind laut den Autoren folgende:

  • Zu niedrige Angaben: Wenn es einen Anreiz und die Möglichkeit dazu gebe, könnten Einzelpersonen den Wert ihres Vermögens zu niedrig angeben (oder den Wert ihrer Schulden aufblähen), um ihre Vermögenssteuerschuld zu verringern. Hierzu könne man entweder nicht alle Vermögenswerte oder den Wert der angegebenen Vermögenswerte zu niedrig angeben.
  • Offshore-Hinterziehung: Kausale Belege für die Auswirkungen der Vermögensbesteuerung auf die Offshore-Hinterziehung – also das absichtliche Verschweigen oder Verstecken von Vermögen im Ausland – seien rar. Dennoch gebe es immer mehr Belege für das Ausmaß von Offshore-Hinterziehungspraktiken unter den Wohlhabenden in den USA und Skandinavien sowie weitere Belege, die darauf hindeuteten, dass die Besteuerung Offshoring-Reaktionen hervorrufe.
  • Schenkungen und Zerstückelung (fragmentation): Anstatt Vermögen ins Ausland zu transferieren, könnten vermögende Privatpersonen auf die Vermögensbesteuerung reagieren, indem sie ihr Vermögen legal auf den Namen einer anderen Person übertrügen. Dabei könnte es sich um Schenkungen unter Lebenden handeln (bei Verzicht auf den Nutzen und die Kontrolle über das Vermögen) oder um die Übertragung an den Ehepartner oder die Kinder (möglicherweise unter Beibehaltung der Kontrolle, mit oder ohne Beibehaltung eines gewissen Nutzens).
  • Vermögenszusammensetzung: Personen, die nicht willens oder in der Lage seien, die Vermögensbesteuerung durch Umverteilung innerhalb des Haushalts zu vermeiden, könnten stattdessen ihre Steuerschuld minimieren, indem sie ihr Vermögen auf verschiedene Vermögensklassen umverteilten. Die Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage durch die Vermögenszusammensetzung, die darauf zurückzuführen sei, dass die Steuerbemessungsgrundlage durch Steuerbefreiungen und -erleichterungen geschmälert werde, habe in mehreren OECD-Ländern zur Abschaffung der Vermögensbesteuerung beigetragen.
  • Ersparnisse: Angesichts der begrenzten Möglichkeiten, die Struktur der Vermögensbestände anzupassen, um eine Vermögenssteuer zu vermeiden, könnten Personen stattdessen den Gesamtwert ihrer Vermögensbestände anpassen. Das theoretische Argument besage, die Erhebung einer Vermögenssteuer verringere die Rendite des Sparens und veranlasse den Einzelnen dazu, heute mehr auszugeben (oder weniger zu arbeiten) und weniger für die Zukunft zurückzulegen. Das Argument, die Vermögensbesteuerung verringere den Anreiz zum Sparen, habe beim Rückgang der Vermögensteuern in den OECD-Ländern ebenfalls eine Rolle gespielt.
  • Arbeitsangebot: Wenn der Einzelne mehr sparen würde, könnte er dies entweder durch eine Verringerung seines Konsums oder eine Erhöhung seines Arbeitsangebots erreichen. Durch ihre Auswirkungen auf die Rendite des Sparens wirke sich die Vermögensbesteuerung somit auf den Kompromiss zwischen Arbeit und Freizeit aus.
  • Abwanderung: Die Abwanderung vermögender Personen werde in Zeiten der Globalisierung der der Mobilität von Hochqualifizierten als Gegenargument zu einer möglichen Vermögensbesteuerung ins Feld geführt. Auch dieses Argument habe zum Rückgang der Vermögensteuern in den OECD-Ländern beigetragen. Allerdings, so Advani/Tarrant, deuteten die vorhandenen Daten darauf hin, dass die Migrationsreaktionen auf alle Formen der Besteuerung im Verhältnis zu den potentiellen Einnahmen gering seien; es gebe wenig Unterstützung für die Ansicht, die Abwanderung wohlhabender Steuerzahler stelle eine erhebliche Bedrohung für die progressive Besteuerung dar.

Diese möglichen Verhaltensreaktionen sollten nicht als gegeben hingenommen werden. Sie seien in hohem Maße von der Gestaltung der Politik abhängig.

Steuerkonzeptionen mit Auswirkungen auf Elastizität

Advani/Tarrant haben sich die Schätzungen der Elastizität des steuerpflichtigen Vermögens angesehen, die in den letzten Jahren für die Schweiz, Spanien, die Niederlande, Dänemark, Norwegen, Schweden und Kolumbien vorgelegt wurden. Die Elastizitäten seien sehr unterschiedlich und empfindlich gegenüber politischen Entscheidungen, die von Land zu Land sehr heterogen seien. Es gebe aber einige Steuerkonstruktionsmerkmale, die unterschiedliche Elastizitäten erklärten. Diese seien:

  • Erstens seien die Elastizitäten des zu versteuernden Vermögens tendenziell höher in Steuersystemen, die mehr Spielraum für unzureichende Angaben böten. Die Meldung von Vermögenswerten durch Dritte (z.B. durch Finanzinstitute) sei ein einflussreicher Faktor.
  • Zweitens böte die Befreiung von Vermögenswerten von der Steuerbemessungsgrundlage Anreize, die Portfoliozusammensetzung zugunsten von steuerbefreiten Vermögenswerten zu verschieben; dadurch könne sich die Gesamtelastizität des steuerpflichtigen Vermögens erhöhen.
  • Drittens hingen die Vermögenselastizitäten vom Grad der Zentralisierung der Vermögensteuer ab. In Spanien und der Schweiz, beides Länder mit dezentralisierter Vermögensbesteuerung, dürfte die interregionale Mobilität als Reaktion auf unterschiedliche Steuersätze und Freibeträge die Gesamtelastizität des Vermögens erhöhen, so Advani/Tarrant.

Fazit: Schrumpfung der Vermögensbasis

Im Ergebnis deuteten die Erkenntnisse aus anderen Ländern darauf hin, dass eine gut konzipierte britische Vermögensteuer, die alle Vermögenswerte erfasse und in großem Umfang auf die Meldung von Vermögenswerten durch Dritte zurückgreife, nach einem Zeitraum von vier bis acht Jahren eine Elastizität des steuerpflichtigen Vermögens in Bezug auf den Nettosteuersatz in der Größenordnung von 7 bis 17 Prozent erreichen könnte – je nachdem, welche Annahmen über den Umfang der internationalen Migrationsreaktionen getroffen würden. Dies bedeute, die Vermögensbasis würde als Reaktion auf einen Steuersatz von 1 Prozent auf das Vermögen um 7 bis 17 Prozent schrumpfen.

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