Familienunternehmen machen einen großen Teil des Gesamtvermögens in Deutschland aus. Das Potential, mit diesem Vermögen einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, ist daher enorm. Wie sehen die NextGens, die Nachfolger und Erben von Familienunternehmen, ihr gesellschaftliches Engagement und das des Unternehmens? Um das herauszufinden, hat das Institut für Familienunternehmen und Mittelstand der WHU – Otto Beisheim School of Management gemeinsam mit der PHINEO gAG mehr als 100 NextGens, die Teile dieses Vermögens verwalten und/oder erben werden, zu Art, Umfang, Motivation, Zielen und Herausforderungen ihres gesellschaftlichen Engagements befragt.
Gesellschaftliches Engagement werde im Rahmen der Studie „NextGens zwischen Erbe und Idealismus“ sehr weit definiert und umfasse zum Beispiel klassische Philanthropie wie Spenden und Ehrenamt ebenso wie soziale oder nachhaltige Aktivitäten im Familienunternehmen. Außerdem beleuchte die Studie die Wahrnehmung der NextGens zu Instrumenten wie Impact Investing.
Im folgenden fassen wir die wesentlichen Ergebnisse der Studie zusammen.
Warum engagieren sich NextGens gesellschaftlich?
93 Prozent der befragten NextGens sei gesellschaftliches Engagement wichtig bis äußerst wichtig, während es für nur 7 Prozent nicht sehr wichtig oder unwichtig sei. Entsprechend sei das Engagement von 54 Prozent der NextGens in den letzten Jahren gestiegen und das von 30 Prozent gleichgeblieben, während es bei nur 16 Prozent gesunken sei (vgl. S. 14)
Dass Unternehmen eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft haben, dem stimmen rund 80 Prozent der Befragten voll und weitere 15 Prozent teilweise zu (vgl. S. 17).
NextGens beschäftigte allerdings nicht nur die Frage, wie sie ihr Vermögen bestmöglich einsetzen können – sie dächten auch zunehmend über die Herkunft ihres Kapitals, ihren Wohlstand und die allgemeinen Vermögensstrukturen in der Gesellschaft nach. Die Studie zeige, dass dies in einigen Fällen ein sehr emotionales und schambehaftetes Thema für die jungen Familienunternehmer und Erben sei.
„Viele von ihnen finden die gesellschaftliche Vermögensverteilung ungerecht, und es ist ihnen unangenehm, zu der sehr vermögenden Schicht zu gehören – deshalb möchten sie ihre privilegierte Situation verantwortungsvoll nutzen (…).“
Studie „NextGens zwischen Erbe und Idealismus“, S. 19
40 Prozent der Befragten stimmen der Aussage teilweise zu, die NextGens dächten anders über Eigentum nach als die Vorgängergeneration, 14 Prozent stimmen hier voll zu (vgl. S. 19f.).
Wie engagieren sich NextGens gesellschaftlich?
Fast die Hälfte der NextGens verfolge das eigene Engagement über klassische philanthropische Instrumente wie beispielsweise Spenden oder ehrenamtliche Tätigkeiten. Nur ein geringerer Teil der befragten NextGens definiere ihr Engagement über die Auswahl von Vermögensanlagen.
Die Gründe, warum Vermögensanlagen noch nicht stärker als eine Möglichkeit für positiven „Impact“ genutzt werde, liege insbesondere in der Meinungsdiversität von Familien begründet, in denen oft wenig Aufgeschlossenheit gegenüber modernen Finanzinstrumenten vorherrsche, so die Studienautoren (vgl. S. 27).
Die NextGens engagierten sich überwiegend in den Wirkungsbereichen Bildung, Umwelt, Armut, regionale Entwicklung und Gesundheit (vgl. S. 28). Das familiäre Engagement erfolge häufig über familieneigene Stiftungen und umfasse lokale Projekte, die oft langfristig über mehrere Generationen hinweg gefördert würden. 43 Prozent der Familienunternehmen, in denen die befragten NextGens tätig seien, engagierten sich bereits seit der Gründung des Unternehmens gesellschaftlich (vgl. S. 30f.). Nach Ansicht der NextGens muss aber noch mehr getan werden: Dass NextGens die Verantwortung haben, das gesellschaftliche Engagement der deutschen Familienunternehmen signifikant zu steigern, dem stimmen 26 Prozent voll und gut 40 Prozent teilweise zu (vgl. S. 32).
Wie unterscheiden sich NextGens und die Vorgängergeneration(en)?
Ein recht großer Teil der NextGens meint, ihr grundsätzliches Interesse an gesellschaftlichem Engagement sei höher als das der Vorgängergeneration(en).
Dass es „viel höher“ sei, meinen 27 Prozent; 34 Prozent sagen, es sei „etwas höher“, während 30 Prozent ein „etwa gleiches“ Interesse ausmachen. Dass sich Unternehmen heute zu wenig gesellschaftlich engagierten, dem stimmen immerhin 18 Prozent „voll“ und 28 Prozent „teilweise“ zu (vgl. S. 81, 83).
Über die Hälfte der NextGens gibt an, dass sie generell Unterschiede in ihrem Engagement verglichen mit der Vorgängergeneration wahrnehme. Demnach unterschieden sich das Engagement der heutigen und das der vorherigen Generation(en) am meisten mit Blick auf gewählte Formate, eine gestiegene Offenheit der Jüngeren gegenüber neuen Ansätzen, eine andere Motivation für das Engagement, neuen Wirkungsbereichen und der Strategieorientierung, die nach eigenen Angaben immer wichtiger werde (vgl. S. 35).
Inhaltlich liegen die größten Unterschiede zwischen den NextGens und den Vorgängergenerationen darin, dass sich die Nachfolger und Erben deutlich stärker für ein Engagement für Umwelt und Klima sowie für Bildung interessieren. Die Förderung von Kunst und Kultur – für die Vorgängergenerationen ein wichtiges Thema – tritt dagegen in den Hintergrund (vgl. S. 37).
Im geschäftlichen Kontext seien NextGens offen für systemische Veränderungen. Sie beschäftigten sich beispielsweise mit neuen Rechtsformen wie dem Verantwortungseigentum. Laut einer Studie der Purpose Foundation (2021) befürworteten 72 Prozent des deutschen Mittelstandes dieses Konzept. In der Umfrage von Phineo/WHU habe sich allerdings herausgestellt, dass 16 Prozent der Befragten nicht wissen, was Verantwortungseigentum ist (vgl. S. 45).
Dass NextGens ihre Familienunternehmen grundlegend nachhaltiger aufstellen, sobald sie in der Verantwortung sind, davon sind 15 Prozent „voll“ und 40 Prozent „teilweise“ überzeugt. Dabei reicht Ihnen Philanthropie allein nicht.
Der Aussage, Unternehmen der Zukunft müssten im Kern nachhaltiger werden und sich mehr am Sinn als am Gewinn orientieren, dem stimmen 43 Prozent „voll“, 25 Prozent „teilweise“ zu (vgl. S. 44, 48).
Worauf achten NextGens bei der Verwaltung ihres Vermögens?
Viele NextGens stellten das Konstrukt einer Familienstiftung und die Funktion von (langjährigen) Family Offices in Frage. Ein Teil der befragten NextGens äußere sich zwar sehr wertschätzend über die meist enge und vertrauensvolle Beziehung zwischen den Family Offices und ihren Familien. Von einigen NextGens würden aber neben grundsätzlichen kritischen Überlegungen auch Funktion und Aufgabenbereiche von Family Offices skeptisch gesehen. Sie monierten, dass in der Zusammenarbeit der vorherigen Generationen mit den Family Offices oder weiteren Beratern Strukturen geschaffen wurden, die es der Nachfolgegeneration erschwerten, das eigene Engagement selbstbestimmt in die Tat umzusetzen. Sie haderten mit eingefahrenen Strukturen der Family Offices und den strategischen Eckpfeilern, die die Vorgängergenerationen gesetzt hätten (vgl. S. 56).
Das Interesse an nachhaltigen Investitionen sei bei vielen NextGens hoch. Die Ergebnisse aus der Umfrage belegen, dass NextGens mehr Wert auf eine positive gesellschaftliche Wirkung ihrer Kapitalanlagen legten als ihre Vorgängergeneration (vgl. S. 57). Allerdings analysiere oder messe nur eine Minderheit (30 Prozent) der NextGens laut eigener Aussage die Wirkung des eigenen Engagements. Eine Mehrheit (75 Prozent) berichte, sie habe bisher noch nicht einmal die Idee einer konsequenten Wirkungsmessung gehabt (vgl. S. 65).
Bei ihren Anlageentscheidungen schlössen viele NextGens Industrien und Unternehmen aus, die eine negative Wirkung aufwiesen.
Auch Impact Investing gewinne immer mehr an Bedeutung. Nicht umsonst gälten NextGens als treibende Kraft in diesem Bereich. Sie beleuchteten die familiäre Geldanlage der letzten Jahre und die damit verbundenen Strukturen kritisch. Rendite sei nicht mehr das einzige Kriterium beim Anlegen ihres Vermögens (vgl. S. 58ff.).
Wohlstand als verunsichernder Faktor
An verschiedenen Stellen der Befragung werde deutlich, dass der Umgang mit dem eigenen Wohlstand zu einem verunsichernden Faktor werden könne. Einige NextGens äußerten sogar das Gefühl, ihr Wohlstand sei in der Gesellschaft ein Tabuthema. Dies gelte insbesondere dann, wenn ihnen das Vermögen noch nicht gehöre und sie es nicht „verdient” hätten, sondern erbten.
Fast alle Befragten agierten mit großer Zurückhaltung, was die öffentliche Zurschaustellung von Engagement angehe. Dabei zeige sich oft ein Spannungsfeld zwischen den Interessen der NextGens und deren Wahrnehmung durch die Umwelt. Sie berichteten von ihrem persönlichen Wunsch, sich einzubringen, aber auch von der Notwendigkeit – besonders als Unternehmen – Engagement zur Imagepflege nutzen zu müssen. Gleichzeitig verspürten sie den Druck der Gesellschaft, sich gemeinnützig zu betätigen, fürchteten dabei aber negative Reaktionen der Umgebung, sobald sie sich zu sehr mit ihrem Engagement exponierten. NextGens wollten vermeiden, dass die Gesellschaft ihr Engagement negativ auslege, ihnen sogar Blue- und Greenwashing vorwerfe. Im schlimmsten Fall führten diese Unsicherheit und Angst vor Kritik dazu, dass NextGens sich überhaupt nicht engagierten (vgl. S. 75f.).