Vermögen im oberen Bereich der Vermögensverteilung bestehen zu wesentlichen Teilen aus Betriebsvermögen. Das geht aus der Studie „Die Rolle der Betriebsvermögen in der Vermögensverteilung“ der Stiftung Familienunternehmen hervor, die vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erstellt worden ist. Die Autoren schätzen das von privaten Haushalten gehaltene Betriebsvermögen im Jahr 2017 auf 2,4 Billionen Euro (unterer Schätzwert) bis 3,1 Billionen Euro (oberer Schätzwert). Die Untersuchung basiert auf einer Stichprobe von knapp 4.500 Unternehmen in Kombination mit Befragungsdaten der Deutschen Bundesbank. Betriebsvermögen fielen deutlich höher aus, als es amtliche Statistiken oder Befragungen nahelegten, so die Studie.
Die relative Bedeutung der Betriebsvermögen steige bei vermögenden Haushalten erwartungsgemäß, wenn eine höhere Unternehmensbewertung zugrunde gelegt werde. Während der Anteil des Betriebsvermögens im Vermögensportfolio des oberen Prozents in den Ursprungsdaten (Basis: Studie „Private Haushalte und ihre Finanzen“ (PHF) der Deutschen Bundesbank) bei 39 Prozent liege, erhöhe sich der Anteil nach Anpassung an die neu ermittelten Bandbreiten für das Betriebsvermögen auf 56 bis 65 Prozent (s. unten die beiden Säulen zu Top 1).
Vermögensungleichheit geringfügig gesunken
Mit Blick auf die Entwicklung der Vermögensungleichheit zeige sich unter Hinzuschätzung der Betriebsvermögen und Berücksichtigung der Untererfassung weiterer Vermögenskomponenten ein Anstieg von 2011 bis 2014 und ein Rückgang von 2014 bis 2017, sodass das Ungleichheitsniveau im Jahr 2017 im Ergebnis geringfügig unterhalb des Niveaus des Jahres 2011 liege.
Dieser Befund reihe sich in vorliegende Hinzuschätzungs-Studien ein, die zwar ausnahmslos zu dem Ergebnis kämen, dass die Vermögensungleichheit bei Hinzuschätzung hoher Vermögen und/oder besonderer Berücksichtigung von Betriebsvermögen höher ausfalle, jedoch zumindest für die Zeit seit der Finanzkrise keine empirische Evidenz für einen Anstieg der Vermögensungleichheit böten.
Hinzuschätzung der Hochvermögenden
Mit Blick auf die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung einer (stark) steigenden Vermögenskonzentration und der konstanten Entwicklung der empirischen Kennziffern werde häufig auf die fehlende Berücksichtigung sehr hoher Vermögen verwiesen. Um auch sehr hohe Vermögen zu berücksichtigen, greife eine wachsende Zahl von Studien und Forschungsvorhaben auf Hinzuschätzungen von Top-Vermögenden auf Basis von Reichenlisten zurück.
Die Übersicht der hinzuschätzenden Studien zeige: Wenn Befragungsdaten einzig um Informationen Hochvermögender ergänzt würden (und mit Blick auf die tendenzielle Überschätzung der Vermögen in Reichenlisten der Top-1-Prozent-Anteil maximal möglicher fasst werde), dann lägen die Anteile unabhängig vom Erhebungsjahr (2010 bis 2017/2019) und unabhängig vom zugrundeliegenden Datensatz (Household Finance and Consumption Survey HFCS, Sozio-oekonomisches Panel SOEP) immer im Bereich von rund zwei Drittel für die oberen 10 Prozent und einem Drittel für das vermögensreichste Prozent. Zwei Aspekte gelte es somit zu betonen:
- „Keine der zum aktuellen Zeitpunkt vorliegenden Studien bietet empirische Evidenz dafür, dass sich die Vermögensungleichheit seit der Finanzkrise erhöht hat.
- Bei den Befunden handelt es sich um eine obere Grenze der Vermögensungleichheit, da der obere Vermögensrand großzügig hinzugeschätzt wird und mögliche Untererfassungen im unteren und mittleren Bereich der Vermögensverteilung unberücksichtigt bleiben.“
Auch die IW-Studie für die Stiftung Familienunternehmen zeige, dass eine Hinzuschätzung der Betriebsvermögen zwar in einer höheren Vermögensungleichheit resultiere, die Berücksichtigung der Untererfassung der weiteren Vermögenskomponenten den Anstieg der Ungleichheit – insbesondere durch den egalisierenden Effekt der untererfassten Sichteinlagen – jedoch zumindest teilweise kompensieren könne.
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